Skip to main content

Full text of "Zur Psychologie der Revolution: Die vaterlose Gesellschaft. Nach Vorträgen in der Wiener psychoanalytischen Vereinigung und im Monistenbund"

See other formats


~~ 


DER AUFSTIEG 

NEUE ZEIT- UND STREITSCHRIFTEN NR. 12/13 


DB. PAUL FEDERN, WIEN 

ZUR PSYCHOLOGIE 
DER REVOLUTION: 

DIE VATERLOSE 
GESELLSCHAFT 


n 



ANZENGRUBER - VERLA 


Leipzig - BRÜDER SUSCHITZKY — wien 



Oll 'S 



DER AUFSTIEG 

NEUE ZEIT- UND STREIT SCHRIFTEN 

— — — MgM — — n^— ———MB 


FY e Menschheit unserer Tage will Reformen; sie ist mit sich 
unzufrieden. Das Erbe der Vergangenheit genügt ihr nicht, 
sie spürt, daß sie auf trügerischem Grunde steht und will festen 
Boden unter sich wissen. Sie krankt durchaus nicht am An- 
archismus; im Gegenteil, sie will aus zerfahrener Willkür zu 
dauernden, neuen Ordnungen gelangen. Sie hat gesehen, daß 
im Laufe der Entwicklung Hunderte Begriffe in Politik^ Wirt- 
schaft, im sozialem Leben hochgehalten wurden, die sich als 
hohle Idole entpuppt haben, von denen keine Hilfe kam. Das 
Getriebe in allen theoretischen und praktischen Systemen wird 
durchschaut und überall ärgern schädliche Gebrechen. Jugena 
und Alter sehnt sich nach klaren Definitionen. Alle sehnen sich 
nach Erfüllung ihrer Lebenswünsche, wobei sie die Regeln 
suchen, die die Gegensätzlichkeiten der Individuen der Nationen 
der Stände versöhnen könnten. Die alten Maximen werden 
überprüft in der Hoffnung, überall auf unerschütterliche, der 
wahren Menschennatur genügende, eine große Harmonie schaffende 
Prinzipien zu stoßen. 'Alles fühlt, es muß anders werden, besser, 
für alle gut. Schwer jedoch ist es, die Nebel zu durchschauen, 
die Pfade zu finden, die hohen Orte zu gewinnen, von wo aus 
sich Einblicke und Überbicke eröffnen. Aber fort aus den un- 
gesunden, dickichtverwachsenen Niederungen, hinauf zu hellen, 
reinen, erfrischenden Regionen! Und so sei von dieser und jener 

Seite der Aufstieg gewagt ! 

Nr. 1. Prof. Dr. RICH. WAHLE: Ein Weg zum ewigen Frieden 
Nr. 2. LUDO MOR. HARTMANN: Uber den Beruf unseier 

Nr. 3. ROSA MAYREDER: Der typische Verlauf sozialer 


Bewegungen „ , , . , 

Nr. 4/5. JOS. POPPER-LYNKEUS: Friedensvorschlage, Schieds- 
gerichte, Völkerbund , 

Nr. 6/7. Dr. KARL FRANK: Die Parteilichkeit der Volks- und 

Rasseabergläubischen 

Nr. 8/9. EDGAR HERBST : Die Verwirklichung der Gott-Idee 
Nr. 10/11. Dr. RICH. STE1NITZ : Wert oder Sachabgabe 

In VorbereituttS * 

Nr. 14. Dr. MÜLLER-LYER : Synergie (mit einem Vorwort von 
Rudolf Goldscheid) 

Der Preis jeder Nummer betrag^ 7» — 

tu BEZIEHEN DURCH ALLE BUCHHANDLUNGEN 



ZUR PSYCHOLOGIE 
DER REVOLUTION: 

DIE VATERLOSE 
GESELLSCHAFT 

NACH VORTAGEN IN DER WIENER PSYCHOANALYTISCHEN VER- 
EINIGUNG UND IM MONISTENBUND 

VON 

D- PAUL FEDERN, WIEN 


ANZENGRUBER-VERLAG BRÜDER SUSCHITZKY 

LEIPZIG 1919 WIEN 


ERWEITERTER ABDRUCK AUS: 
„DER ÖSTERREICHISCHE VOLKSWIRT“. 


a INTERNATIONAL 
PSYCHO A N A LYTIC 
UNIVERSITY 

DIE PSYCHOANALYTISCHE UNIVERSITÄT IN BERLIN 


ALLE RECHTE VORBEHALTEN. 


DRUCK VON JOH. N. VERNAY, WIEN, IX., CANISIUSGASSE 8-10, 




an kann die Gesellschaftsordnung- und ihre 
Umwandlung als ein technisches Problem 
der Organisation oder als politisches 
Problem behandeln, das heißt die Frage 
stellen, welche Interessen und Machtfak- 
toren miteinander kämpfen und welche 
Mittel jedem speziellen Interesse und Machtfaktor 
dienen. In diesem Falle wird man zu jeder ursächlichen 
Erklärung die seelischen Vorgänge mitberücksichtigen 
müssen. Meine Untersuchung soll nun solche seelische 
Vorgänge bloßlegen, von denen der Politiker selbst zu- 
nächst nichts oder sehr wenig weiß, weil sie den 
Menschen überhaupt unbewußt geblieben sind, bis sie 
eine bestimmte Methode der Seelenforschung unserem 
Wissen zugänglich gemacht hat. 

Diese Methode war die von Freud geschaffene 
Psychoanalyse. In vielen Untersuchungen am Einzel- 
menschen wurden psychische Gesetzmäßigkeiten ge- 
funden, die hier auf ein Problem der Massenpsychologie 
angewendet werden sollen. Als Gewinn für die Allge- 
meinheit erstrebt diese Arbeit, daß durch die gewonnene 
psychologische Erkenntnis tiefere, schuldfreie Motive 
an die Stelle von unrichtigen, den Gegner herabsetzen- 
den Auffassungen treten. 

Unsere Gesellschaftsordnung hat lange, für den 
Sozialisten unerträglich lange, Formen und Rechte aus 
vergangenen Jahrhunderten beibehalten. Während des 
Krieges wurde der Zwang dieser Ordnung enorm ge- 
steigert und erstreckte sich, wie nie zuvor, auf alle 
geistigen Betätigungen und alle Lebensbedürfnisse, 
Die Untertanen ertrugen diesen Druck mit zerquälter 
Seele nur darum, weil sie ihn ebenso wie die materiellen 

l* 



4 


Entbehrungen als vorübergehende Erscheinung dei 
Kriegsnot ansahen und keinen andern Weg zur Wiedei- 
gewinnung der nationalen und wirtschaftlichen Unab 
hängigkeit erblickten. Auf diese ungeheuerliche Steige- 
rung der handgreiflichen Gewalten des Staates, Ver- 
waltung und Justiz mit Militär und Polizei folgt, e der 
jähe Zusammenbruch aller staatlichen Autoritäten und 
dieselben Menschen, die so lange sich ruhig dem Zwange 
angepaßt hatten, sind plötzlich unersättlich, lüstern ge- 
worden nach einer Erneuerung und verlangen ein eiliges 
Tempo der Revolution. 

Die Bewegung hat in Rußland und Deutschland 
ihre ersten Führer überrannt. Bei uns, wo durch den 
Zerfall des Reiches die politische Revolution von selbst 
kam, ist die soziale erst im Entstehen. Aber schon er- 
tönt aus Versammlungen, Flugblättern und Gesprächen 
des Volkes die zunehmende revolutionäre Energie und 
der Gegensatz zur klugen, programmgemäßen Arbeit 
der bisherigen Führer, trotzdem diese auf große Fort- 
schritte hinweisen können, wie sie bisher kaum in einem 

Jahrhundert erreicht wurden. 

Dieser revolutionäre Radikalismus hat sich eine 
eigene Wirkungsform in den Arbeiter- und Soldaten 
raten geschaffen. Wäre sie auf das industriearme Ruß- 
land beschränkt geblieben, erübrigte sich eine weitere 
Erklärung. Dort existierte keine einheitliche Organisa- 
tion, die die Revolution hätte ausbauen können, und so 
schlossen sich die revoltierenden Arbeiter, Soldaten und 
Bauern nach ihren Berufen zusammen, um ein Inter- 
regnum bis zur konstituierenden V ersammlung mit parla- 
mentarischer Wirkungsform zu sein. Aber es kam 
anders. Die konstituierende Versammlung wurde von 
den Räten gesprengt. Und diese gelangten zu Macht 
und Autorität im Lande trotz dem inneren Chaos, das 
sie fanden, und den neuen äußeren Feinden, die sie sich 
schufen. 

Der russischen Propaganda wird von den Menr- 
heitssozialisten Deutschlands ebenso wie von der En- 
tente die Schuld zugeschrieben, daß in allen Ländern 
Arbeiter- und Soldatenräte entstanden. Wir sehen aber 
in dieser Beschuldigung nur eine Selbstbeschwichtigung 
,l*>r Staatsmänner. Die Propaganda durch Heimkehrer 




und Emissäre hätte keinen Erfolg gehabt, wenn nicht 
gleiche seelische Bedingungen und Bedürfnisse in der 
Masse vorhanden gewesen wären, denen weder dei bis- 
herige Parlamentarismus noch die Parteiorganisation 
und Gewerkschaft entsprach. Dem revolutionären Frei- 
heitsdurste entspricht nur die Räteorganisation und auf 
ihrem Boden muß der soziale und politische Kampf 
aufgenommen werden, wenn er überhaupt zugunsten 
der Demokratie und gegen die Diktatur des Proletariats 
gewonnen werden soll. Auf jedem andern Weg führt 
er zu dem jetzt tobenden, Bruderblut vergießenden 
Kampf innerhalb der Arbeiterparteien. Schon heute ist 
aus der Räteorganisation ein zweites Repräsentanten- 
haus entstanden, das die neue Zeit sinnfällig vertritt 
im Gegensatz zum Parlament, dem übrig gebliebenen 
Rest des gestürzten Obrigkeitstaates. Ein solches, aus 
der wirklichen Macht heraus entstandenes Zweites Haus 
hätte wahrhaftig eine größere innere Berechtigung und 
billigeren Anspruch auf seinen Machtanteil als die 
Oberhäuser Österreichs oder Preußens besessen hatten, 
deren Sonderrechte so lange unantastbar waren. Dieses 
Zweite Haus wäre wie ein Manifest, daß die Macht vom 
Kapitalismus an den Sozialismus übergegangen ist. 

So sehen wir in der Räte Organisation die Wirkungs- 
form der aufbau enden Kräfte der Revolution. 
Das Zeichen ihrer zerstörende n Tendenzen sind 
die riesenhaften Streiks. Sie sind nicht allein dadurch 
zu erklären, daß die Arbeiter immer gewohnt waren, 
im wirtschaftlichen Kampf zum Streik zu greifen, und 
daß im politischen Kampf der Generalstreik als letztes 
Entscheidungsmittel dem Ideenkreis der Sozialisten seit 
langem angehörte. So würden die Streiks nur die wirt- 
schaftliche und politische Unzufriedenheit der Arbeiter 
ausdrücken. Aber welche Ruderer ließen die Ruder im 
Stich mitten im stärksten Wellengänge, wenn sie nicht 
ihr seelisches Gleichgewicht verloren haben? Heute 
streckt das gequälte Bedürfnis des ganzen Volkes nach 
jedem Tagewerk der Arbeiter seine flehende Hand aus, 
der Hunger der Städte schreit Protest gegen jede Ein- 
stellung des Verkehrs. Und trotzdem ist Streik. Das 
ist nicht mit Gewissenlosigkeit des Einzelnen und nicht 
mit bolschewistischem Einfluß zu erklären. In der 


Massenseele müssen die Ursachen liegen, aus denen fast 
ohne Führung die selbstmörderische Methode organisch 
und notwendig entsteht, und es müssen Kräfte verloren 
gegangen sein, die diesen Ursachen entgegenwirkten. 

Wir w r ollen nun versuchen, die beiden charakteri- 
stischen Erscheinungen: Räteorganisation und Streik 
psychologisch zu erklären. Es sind Massenerscheinun- 
gen, die nur dann aus den Seelenvorgängen des Ein- 
zelnen erklärt werden können, wenn sich diese in der- 
selben Richtung summieren. Alle Arbeiter müssen eine 
analoge innere Erschütterung und eine gleichartige 
Reaktion erlebt haben. Es ist wahrscheinlich, daß ein 
gemeinsamer innerer Halt verloren gegangen ist. 

Um das zu untersuchen, müssen wir von dem ver- 
lorenen Zustand des seelischen Gleichgewichts und der 
sozialen Einordnung ausgehen und fragen, durch welche 
Kräfte die frühere normale, ruhige Einordnung des 
Menschen in die Gesellschaftsordnung erreicht wurde? 
Offensichtlich hat die Gewaltmacht des Staates mittels 
Militär und Polizei den Einzelnen gezwungen, oft gegen 
seine Überzeugung, meist gegen sein Sonderinteresse 
die bestehende Ordnung einzuhalten. Diese Furcht vor 
dem Zwang schuf die knechtische Denkungsart, welche 
die nun gestürzte Ordnung charakterisierte. Aber die 
rohe Strafandrohung hinderte viele mehr oder weniger 
verbrecherisch veranlagte Naturen nicht, die Ordnung 
zu brechen oder zu umgehen, während sie wiederum 
der Mensch mit normaler ethischer Veranlagung nicht 
brauchte, um sich sozial einzuordnen. Ihn binden stär- 
kere Gefühlsmächte, die zu den sittlichen gehören: 
Scham und Rücksicht auf seinen Ruf und seine Geltung, 
vor allem aber ein soziales Elirfurchtsgefühl vor den be- 
stehenden Einrichtungen. Dieses Gefühl gab allen kon- 
servativen, staats- und kaisertreuen Parteien die stolze,, 
solidarische Sicherheit, ausschließlich Recht zu haben, 
die Gegner als vaterlandslose Gesellen zu verachten 
und die eigenen selbstsüchtigen Interessen zu übersehen. 
Was ist nun die Ehrfurcht vor allem Gesetzlichen, Vor- 
geschriebenen, Autoritativen? 

Wir beantworten diese Frage nicht mit einer De- 
finition, sondern mittels der Untersuchung, wie diese 
soziale Selbstverpflichtung entstanden ist. Mit dem all- 


7 


gemeinen Hinweis auf die ursprünglichen sozialen 
Triebe, auf den Herdeninstinkt der tierischen Vorfahren 
wollen wir uns, so richtig’ er ist, nicht begnügen. 
Herdeninstinkt, Nachahmung, Suggestion sind undiffe- 
renzierte, ursprüngliche Seelenkräfte, die jeder Art 
von Zusammenleben zugrunde liegen. Wir aber fragen, 
wie diese allgemeinen Hilfen des Zusammenhanges 
speziell im bisherigen, kapitalistischen Obrigkeits Staate 
verwendet wurden? Wir fragen: Wie hat sich der 

elementare Herdentrieb umgestaltet, welche Ab- 
hängigkeitsgefühle und Äußerungen wurden durch 
Nachahmung und Suggestion verbreitet? Eine Binsen- 
wahrheit ist zunächst die Antwort: Die staatliche Ein- 
ordnung ist bisher die Folge der familiären gewesen. 
Aber nicht die gesamte Familie ist an dem sozialen 
Teil der sittlichen Entwicklung in gleichem Ausmaß 
beteiligt. Vielmehr ist es die Stellung des Kindes zum 
Vater, die die Grundlage alles Autoritätsrespekts in 
ihm bildet. 

Wir können den Eindruck, den der riesengroß er- 
scheinende Vater auf das kleine, hilfsbedürftige Wesen 
macht, gar nicht genug mächtig uns vorstellen. Dieser 
Eindruck hat ja wirklich seine künstlerische Gestaltung 
in den Sagen und Märchen von gewaltigen Riesen ge- 
funden. Vom Vater kommt aller Schutz und Hilfe, ihm 
gehört alles, was das Kind bekommt und braucht, er 
ist die letzte Instanz, an die das Kind sich wendet, an 
seinem Willen scheitert des Kindes eigensinniger und 
eigensüchtiger Widerstand, Von ihm kommt Strafe und 
Belohnung. Ihn gilt es zu versöhnen, wenn er zürnt, 
und ihm zu gehorchen ist Gebot der Erziehung und der 
erwachenden Klugheit. 

Diese Stellung des kleinen Kindes gibt seiner un- 
reifen und so leicht in Angst versetzten Seele viel Stoff 
zu Konflikten und Schuldgefühlen und an jede Auf- 
lehnung und den Vorwurf, der daraus dem Kind 
gemacht wird, knüpft sich ein neuer Beweis der Ehr- 
furchtsverpflichtung gegen die väterliche Autorität. Das 
erwachende Gewissen verschärft diese Bande. Die 
Wirklichkeit verstärkt dieses Verhältnis, sobald das 
Kind aus der Zeit seiner alles vergrößernden Phantasie- 
tätigkeit zum Wirklichkeitssinne vorschreitet. Denn der 


8 


Vater ist tatsächlich Herr über des Kindes Schicksal. 
Hier spielt auch die Vererbung* mit, denn er war es 
noch mehr in früheren Zeiten, da das Kind nur nach 
des Vaters Willen am Leben blieb und der Vater un- 
beschränktes Eigentumsrecht am Kinde hatte. Diese 
übermächtige Autorität des Vaters erhält noch Zufluß 
aus dem entgegengesetzten Verhältnis zur normalen 
Mutte r, welche immer aus dem Kind einen kleinen 
Abgott macht und ihm dient, und auch aus der ergän- 
zenden Einstellung des typischen Vaters, der dem 
kleinen Kinde — mit der Mutter verglichen — fremd 
bleibt und selbst wieder die autoritäre Vaterrolle ein- 
zunehmen bereit ist, weil sie ihm aus der Kindheit als 
das Ideal, dem Vater gleich zu werden, geblieben ist. 

Nur kurze Zeit bleibt diese seelische Verknüpfung 
zwischen Kind und Vater ungestört, aber lange genug, 
um unauslöschlich im Menschen als Bedürfnis nach 
einer solchen Anlehnung unbewußt fortzuwirken. 

Dem Kinde aber zeigen bald Grenzen, von der 
Wirklichkeit gezogen, wie beschränkt tatsächlich die 
Allmacht des Vaters ist. Sobald das Kind andere er- 
wachsene Männer zum Vergleich heranziehen kann, 
wird der Vater in Wirklichkeit mehr und mehr ein 
Mensch wie alle. Die stärkere, triebhafte Bindung an 
die Mutter läßt den Vater als Störenfried, als Feind 
empfinden. Dieses tragische Moment, das in der Ödipus- 
sage seine Gestaltung fand, bleibt keinem Knaben 
erspart. Bald beginnt er den Vater kritisch zu beob- 
achten mit dem Resultat wiederholter Enttäuschun- 
gen. Diese Enttäuschung ist ein Sturz aus geborgener 
Sicherheit und bleibt scheinbar dauernd vergessen, in 
Wirklichkeit aber, wie die Psychoanalyse nachweist, im 
Unbewußten erhalten, eines jener Erlebnisse, welches 
immer wieder erlebt wird — so oft eine Autorität im 
Leben gestürzt wird. Dieses Erlebnis der inneren Ent- 
täuschung am Vater schafft sofort eine seelische Un- 
sicherheit, die sich kindlich in Unart, Ungehorsam, Un- 
geduld bis zur Verstörtheit äußert. Bei normalen Kin- 
dern kommt bald, bei abnormen spät oder auch, gar 
nicht ein neues Gleichgewicht zustande. Hier spielen 
alle individuellen Verschiedenheiten der Anlage des 
Kindes, die wirklichen Ereignisse, besonders das Ver- 



9 


hältiiis zur Mutter und der Charakter des Vaters mit 
eine Rolle. Wir wollen die akute Störung nur hervor- 
gehoben haben und die weitere typische Entwicklung 

verfolgen. . 

Das Kind kann nun auf zwei Arten reagieren, che 

wir schon als konservativ und oppositionell bezeichnen 
könnten. Unbedingt ist die Art der Reaktion mit aus- 
schlaggebend für die endgültige Charakterentwick- 
lung.*) Gewöhnlich kxiiiii d&s Kind nicht äiidcis ? nls sich 
— banal ausgedrückt — immer wieder einen neuen 
Vater suchen. Und da seit Jahrtausenden sich Gesell- 
schaft und Kultur auf der Basis patriarchalischer Auto- 
rität entwickelt haben, findet das aus der Familie ins 
Leben tretende Kind im Lehrer, im Pfarrer, im Bürger- 
meister, in König und Kaiser genug Anwärter auf die- 
sen in seinem Innern freigewordenen Vaterposten. Das 
Kind wählt unter diesen Persönlichkeiten unbewußt 
nach der Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Idealbilde 
und beginnt sogleich den neuen Vater zu erhöhen und 
zu idealisieren. Das gelingt jetzt neuerdings trotz der 
größeren Kritik des älter und erfahrener gewordenen 
Kindes, weil es sich nicht mehr an den einen bestimmten 
Vater halten muß, der neben der Liebe Furcht er- 
weckte. Mit einer gewissen Regelmäßigkeit wird das 
Vaterbild auf mehrere Personen auf geteilt, wobei die 
furchterregenden Eigenschaften in einer den Erziehern 
wohlbekannten und den meisten erwünschten Wahl auf 
den Polizeimann, Flurwächter und sonstige Amtsper- 
sonen übertragen werden. Das Verhältnis zum Vater 
verliert durch diese Entwicklung die innere Tiefe und 
kindliche Übertreibung, wird aber den wirklichen Be- 
ziehungen und Forderungen angepaßt, während das 
vom wirklichen Vater losgerissene seelische Band an 
jede neue mächtige Autorität sich knüpft. Nun r e- 
präsentieren aber diese psychischen 
Vaterbilder gemeinsame gesellschaft- 
liche Institutionen und vereinigen so 
alle die einzelnen Söhne zu Untertanen 
des väterlichen Autoritätsstaates. 


*) Siehe auch C. 6. Jung: Die Bedeutung des Vaters für das 
Schicksal den Einzelnen, Wien, Deuticke. 


10 


Das Kind begnügt sich nicht mit diesen irdischen 
Trägem der Vaterschaft, denn auch sie werden, je mehr 
es heranreift, so wie einst der Vater, immer wieder zu 
Menschen seiner Größe. Jedes Kind sucht, und weil 
vor ihm alle Menschenkinder in gleicher Weise empfun- 
den haben, findet es auch Gott-Vater, dessen Vollkom- 
menheit jedes irdische Maß überschreitet und die Herr- 
lichkeit der ursprünglichen kindlichen Vaterfassung 
wieder erreicht. Jede Wiederherstellung eines verlore- 
nen Kindheitsgefühls ist aber mit einer Beruhigung und 
inneren Freude verbunden. Auch die religiöse Vater- 
schaft wirkt so und befestigt ihrerseits die . gesamte 
Sohneseinstellung. Für die Verbindung von Kirche und 
Staat bestehen deshalb für den patriarchalischen übrig- 
keitsstaat tiefe psychologische Gründe. 

In der Mitte zwischen der überirdischen Vater- 
gestaltung und den menschlichen Trägern stand für 
das in dem bisherigen Staate erzogene Kind die Per- 
son des Kaisers. Gott und Kaiser haben die besondere 
Stellung in der Vaterreihe gemeinsam, daß man ihnen 
anhängt, ohne sich mit ihnen zu messen und ihre Höhe 
erreichen zu wollen. Nationale Helden und Führer sind 
übermenschlich erhöhte, aber erreichbare Vatergestal- 
tungen. 

Wir haben jetzt die Fortdauer des ersten Vater- 
bildes im Kinde verfolgt. Diese Fortdauer darf aber 
nicht als bloßes Gleichnis aufgefaßt werden. Die Ana- 
lyse lehrt, daß die ganze kindlich primitive, leiden- 
schaftliche Anhänglichkeit und Verehrung durch das 
ganze Leben sich in der Bindung an die späteren Vater- 
gestalten erhält; nur bleibt der Zusammenhang mit dem 
ursprünglichen Sohnesverhältnis dem Individuum un- 
bewußt. Die kindlichen Affekte sind aber stärker als 
die des Erwachsenen und so bedingt die geheime Fort- 
dauer des Sohnesgefühles in seiner ursprünglichen In- 
tensität bei der späteren gesellschaftlichen Einfügung' 
die große, geheime Kraftquelle für den Zusammenhang 
mit der Gesellschaft und mit dem Staate. 

Diese affektiven, triebhaften Bande wären durch- 
schnittlich noch stärker, wenn nicht bei vielen Indivi- 
duen eine zweite entgegengesetzte Art der Loslösung 
vom Vater erfolgte. Infolge von schlechten Eigenschaften 


11 


oder tyrannischem Auftreten des Vaters, Konflikten 
zwischen den Eltern, eifersüchtiger Liehe zur Mutter 
und, wie besonders Alfred Adler klargelegt hat, 
infolge Überempfindlichkeit des Kindes aus seinem Min- 
derwertigkeitsgefühle gewinnen die feindlichen, nega- 
tiven Tendenzen in der kindlichen Einstellung die 
Oberhand. Dann konzentriert sich auf den Vater und 
die späteren Gestaltungen des Vaterbildes Haß, Un- 
botmäßigkeit und Oppositionsgeist, der sich im Un- 
bewußten auf die soziale Einordnung überträgt. Wah- 
rend die feindliche Bindung an den Vater im Unbe- 
wußten fortdauert und die oppositionelle Richtung des 
Mannes in der Gesellschaft bedingt, kann das Verhältnis 
zum Vater selbst in späteren Jahren ein gutes ge- 
worden sein. 

Zum mindesten dauert trotz alles Aufstandes 
gegen den Vater in den meisten Fällen auch ein Stück 
Hingabe an den Vater und Sehnsucht nach ihm an 
und führt oft im reifen Alter zu später Versöhnung. 
Die Vereinigung genialer Geistesgröße und unge- 
hemmter Leidenschaftlichkeit macht das Leben 
Mirabeaus zu einem denkmalartigen Beispiel dafür, 
wie die Auflehnung gegen den Vater zum Rebellentum 
gegen den König und zur Führerschaft der Revolution 
führt. Aber der Mann, der das Königtum gestürzt hat, 
wollte unbedingt den König retten, er wollte aber auch 
nirgend sonst begraben sein als in der Gruft seines 
Vaters, desselben Vaters, der den Haß des Sohnes, 
so oft in Kerkermauern hatte bändigen wollen. 

Wir dürfen die erste infantile Einstellung nicht 
als die einzige Bedingung für die spätere bewußte 
soziale Parteinahme ansehen. Aber es mußte erst 
mühsam durch ein Menschenalter den im Unbewußten 
festgehaltenen Autoritäten die bewußte Stellung- 
nahme des Arbeiters abgerungen werden, bis ihn die 
Einsicht, wie die realen Interessen mit der wirtschaft- 
lichen Struktur und diese mit der politischen Struktur 
Zusammenhängen, zur politischen Parteinahme und zum 
politischen Kampf befähigte. So war allmählich das 
Klassenbewußtsein des Proletariats innerlich gefestigt 
worden. Die sozialistische Wirtschaftslehre hat den 
einzelnen Proletarier verstehen gelehrt, daß es sich 

2 * 


12 


nicht um den Kampf gegen den einzelnen Arbeitgeber, 
sondern gegen die autoritative, kapitalistische Gesell- 
schaft handelt, sie hat ihn dadurch von der gefühls- 
mäßigen Bindung an den Brotherrn gelöst. Die Er- 
wartung des sozialistischen Zukunftsstaates hat ihm 
eine Heilsbotschaft an Stelle der kirchlichen gegeben. 
Die Organisation gab ihm Brüder und Väter und das 
Gefühl einer neuen Sicherheit, Dabei wurden die Partei- 
führer und Heroen der Sozialdemokratie selbst Vater- 
gestaltungen, wodurch die Autorität der Partei einen 
unbewußten Halt bekam. Wie stark die ursprüngliche • 
Vatereinstellung sich erhält, ist aber nicht abzu- 
schätzen. Ich erlebte davon eine an und für sich kleine 
und unbedeutende, aber doch bezeichnende Probe. In 
einer Versammlung hat ein älterer Genosse das Pro- 
gramm der Sozialdemokraten für die Nationalversamm- 
lung entwickelt. Er sprach über die radikalsten Forde- 
rungen laut, fließend und mit voller Überzeugung. Als 
er aber auf die Abdankung des Kaisers zu sprechen 
kam, da hat er in wenigen Sätzen zwanzigmal gestockt. 
Das kaisertreue Kind in ihm hat dem sozialdemokrati- 
schen Manne — wie die Volkssprache sagt — die Rede 
verschlagen. 

So hätten wir die Antwort auf die Frage nach der 
Natur der allgemeinen Ehrfurchtsverpflichtung gegen- 
über dem Obrigkeitsstaate daliin gegeben, daß sie ein 
leidenschaftliches, unbewußtes, kindlich intensives Ver- 
langen nach vaterähnlicher Autorität sei. Sie muß 
daher überall entstehen, wo in einem patriarchalisch 
aufgebauten Staate normale Kinder unter mütterlicher 
Pflege und väterlichem Familienhaupte aufwachsen. Daß 
dann die Schule auch verstandesmäßig und methodisch 
diese Einstellung fördertest selbstverständlich; aber die 
Schule ist darin so erfolgreich, weil sie der Vaterein- 
stellung entgegenkommt. Damm lassen die Menschen 
leicht das Wissen der Schule hinter sich, aber nicht den 
Geist. Die allgemeine Vatereinstellung war schuld, daß 
die soziale Ordnung sich so lange erhalten konnte. Ver- 
standesmäßig war längst die unzulängliche Technik 
ihrer Organisation erkannt, gefühlsmäßig haben die 
Opfer an Menschenglück, die sie erforderte, die Seele 
aller besseren Naturen mit tiefem Leid erfüllt, — sie 


13 


erhielt sich aber dennoch infolge ihrer unbewußten 
Verankerung. 

Nun wissen wir aus der Analyse der Schicksale 
Einzelner, daß unbewußte Bindungen dann entwur- 
zelt werden, wenn sie den alten unbewußten Wunsch, 
der sie geschahen hat, nicht mehr erfüllen. Dann aber 
verliert all das Wert und Macht, worauf die unbewußte 
Bindung übertragen worden. Eine solche Loslösung ei- 
folgt mit starkem Unlustgefühl und bedingt oft eine 
psychische Erkrankung. Ich habe ausführlich den 
riesenhaften Eindruck, den das Kind von seinem Vater 
eihält und die innere Kettung des Kindes an den Vater 
geschildert. Das Kind hat das Verlangen, von einem ge- 
liebten Wesen abzuhängen, dessen Größe, Macht und 
Wissen ihm absolute Sicherheit und Schutz gewähren. 
Der Wunsch nach einem solchen Vater läßt eben den 
wirklichen Vater fallen und bleibt als Bedingung fiii 
die Wahl der Vatergestalten. Er schafft die Intensität 
der Verehrung und Abhängigkeit für die späteren Auto- 
ritäten, als letztes irdisches Abbild, für den König und 
Kaiser. Der Sicherheitsgewinn der uralten Wunsch- 
erfüllung, die in der tiefsten Seele das Paradies dei 
Kindheit mit seinem unvergleichlichen Vater bewahrte, 
erhielt sich trotz der Kritik des Verstandes. Aber dei 
Sturz des Kaisers, der Macht und Land verlor und jetzt 
keine Sicherheit mehr bieten konnte, hat ihm diese un- 
bewußte Bedingung entzogen. Und damit stürzten alle 
Ehrfurchtsgefühle vor der Staatsordnung, stürzte die 
sichere Sohneseinstellung zusammen, und wenn auch 
das Verlangen nach einer Vatergestaltung noch bei 
vielen Menschen erhalten blieb, so hatten diese keinen 
gemeinsamen, sie vereinigenden Halt mehr.*) So standen 
plötzlich in begreiflicher innerer Verwirrtheit eine Menge 
vaterloser Gesellen da, welche das gemeinsame Mutter- 
land und die Not zur Schaffung einer vaterlosen Ge- 
sellschaft zwingt. 


*) Der Verlust des Landes hat auch darum eine besondere 
Bedeutung, weil im Unbewußten das Land Symbol für die Mutter 
ist, die Vaterlandsliebe aus der Liebe zur Mutter ihre unbewußte 
Stärke bezieht. Das Kind ist an den Vater durch Vermittlung der 
Mutter fixiert und der ist kein Vater, der die Matter nicht retten 
konnte. (Siehe Dr. Ludwig Jekels. Napoleon. Imago. 1914), 


14 


Nicht alle waren erst durch den Sturz des Kaisers 
unvorbereitet vaterlos geworden.*) Für viele hatte schon 
die Kriegserklärung die Vaterbindung zerstört, weil 
kein imaginärer Vater seine Kinder töten läßt, wenn 
nicht in höchster Verteidigungsnot der Mutter, des 
Vaterlandes. Diese Partei der „Unabhängigen“ ver- 
mehrte der Krieg dadurch, daß zwar nicht die fernste 
Vatergestalt, aber die näheren, die ungezählten Vor- 
gesetzten, Amtsstellen und Offiziere so viel eigensüch- 
tiges Unrecht begangen und so viel unbefolgbare Be- 
fehle erteilt haben, daß die „Niederen“, die Arbeiter 
und Soldaten, schon während des Krieges dieselbe Ent- 
täuschung an diesen Vätern erlebten wie einst in der 
Kindheit. Die Enttäuschung war so groß, daß sich bei 
vielen Tausenden die anhängliche Vatereinstellung noch 
nachträglich in eine haßerfüllte, oppositionelle vei- 
wandelte. 

Der Sturz des Vatertums in dem kaisertreuen 
Volke war in Österreich durch die wenig zur Vater- 
gestalt taugende Persönlichkeit des jungen Kaisers er- 
leichtert. Charakteristisch ist, daß allen antidynastischen 
Bewegungen diffamierende Gerüchte über das Herrscher- 
haus vorausgehen, die wenig Wahres mit viel Falschem 
vereinen und nicht mehr ausgemerzt werden können. 
So war es auch in der französischen Revolution und in 
Rußland. Diese innere Ehrfurchtsverletzung untergräbt 
die Vaterstellung, wie einst die gegen den Vater gerich- 
teten unterdrückten Schmähworte sie in der Kindheit 
gelockert haben. So geschah es, daß die Regenten ohne 
Widerstandsversuch fallen mußten, weil die gesamte 
Stimmung von unten bis oben sie nicht mehr trug. Viele 
vatertreu gebliebene Untertanen äußerten ihre Er- 
bitterung darüber, „der Kaiser habe das Volk in Stich 
gelassen“; was zwar nicht der Wahrheit entsprach, aber 
die Zahl der vaterlos Gewordenen neuerdings ver- 
mehrte. 


*) Es liest der Hinweis auf die Verwaisung von Hundert- 
tausenden von Kindern nahe. Nach den Erfahrungen der Psycho- 
analyse steigert meist der Tod des Vaters die Bindung des Sohnes 
an die Vaterreihe. Hingegen hat der Krieg durch die jahrelang 
andauernde Zerstörung der Familie die patriarchalische Einordnung 
auch unmittelbar vielfach erschwert. 


15 


Mit dem Sturz des Kaisers mußte alles kraftlos 
werden, was von der ideellen Vatergemeinsehaft ge- 
tragen war. All dem nicht zu gehorchen, war jetzt innere 
Bereitschaft, fast innerer Zwang geworden. W er diese 
unbewußte Ursache versteht, wird die Vorwurfe, welche 
einzelnen die Schuld z. B. am Wirrwarr des Kuck- 
zuges geben, sehr einscliränken. So wenig der einzelne 
Nutznießer für die in Jahrtausenden entotondenen ver- 
erbten und eingewohnten Privilegien auf dei Seite d 
Vatergestaltungen, für die Entrechtung auf dei Se 
Söhne eine moralische Verantwortung trägt, so wenig 
konnte der Einzelne die Folgen des Sturzes in seinem 
Bereiche auf halten. Sehr ungerecht ist besonders <he 
Entrüstung- über Monarchisten, Klerikale und Bourgeoi , 
daß sie nicht über Nacht Republikaner wurden Vor- 
gänge, die wie die Loslösung von der Vatereinsteilung 
unbewußt vor sich gehen, sind dem Willen und damit 
der Verantwortung entzogen. Daß diejenigen, die in 
der Vater-Sohnreihe mehr Vaterstellung inne hatten sie 
innerlich schwerer aufgehen, ist begreiflich; eischütter 
ist sie aber in allen. Auch auf die Bauern hat dei 
Sturz des Vatertums revoltierend gewirkt; aber sie 
sind das geblieben, als was sie sich immer fühlten, 
„Landeskinder“. In diesem Worte drückt sich sprach- 
lich die uralte, im Unbewußtsein festgehaltene Bin- 
dung an die Mutter, an Land und Erde, aus. bie snn 
deshalb konservativ gebliehen, aber von der alten 
Vaterorganisation, dem Staate, unabhängig gewoi en. 

Der Wirrwarr wäre noch größer -gewesen, wenn 
nicht die organisierten Sozialdemokraten schon lange 
die freiwillige Einordnung in ihrer Partei gelernt um 
ihr ideelles Vaterbedürfnis schon lange am Führer be 
friedigt hätten. Daß in Deutschösterreich die Revolu- 
tion ohne die Raserei haltlos gewordener Menschem 
rudel verlaufen ist, verdanken wir dem Glucke, daß 
Viktor Adler noch lebte und führte, den jeder Genosse 
fast bewußt als Vater empfand. Dem radikalen Teil 
der Partei, dessen Sohneseinstellung sich langst vom 
Obrigkeitsstaate, während des Krieges auch von den 
Parteiführern gelöst hatte, bot sich wiederum m dei 
man kann ohne Übertreibung sagen — heldenhaften 
Gestalt Fritz Adlers eine gemeinsame Vaterbindung. 


16 — 


Die Tat Fritz Adlers war darum von solch ideeller Be- 
deutung* für die sozialdemokratische Partei in Öster- 
reich, weil sie der vehemente Ausbruch der Gegner- 
schaft gegen den alten Obrigkeitsstaat war, einer Geg- 
nerschaft, die während des Krieges wie betäubt ver- 
stummt zu sein schien. Daran war auch das Vaterhafte 
des alten Kaisers schuld gewesen, dessen altgewohnte 
Greisengestalt viel zum Ausbruch des knabenhaften 
Enthusiasmus der ersten Kriegsmonate beigetragen hat. 
Wir erkennen daran, wie ohnmächtig die Vernunft gegen 
das Unbewußte ist, der Verstand gegen den Trieb sich 
erweist, mußte doch das hohe Alter lediglich eine noch 
größere Potenz seiner Unfähigkeit beweisen. Aber dem 
Gefühle des Volkes — darunter auch vieler Sozialisten 
• — war er desto mehr von der mystischen Weihe des 
Vatertums umkleidet. Jetzt, da das Vatertum gestürzt 
ist, büßt auch die Partei der Mehrheitssozialisten ihre 
Verbindung mit dem Gewesenen. Auch die alte Organi- 
sation ist den „vaterlosen Gesellen“ zu sein* vom Vater- 
tum durchtränkt. Sie wollen der väterlich eingestellten 
Partei keine Gefolgschaft leisten. 

Und es war das Verlangen nach endgültiger Be- 
freiung vom alten Vatertum so stark, daß eine neue Or- 
ganisation automatisch entstehen mußte, die aus der ge- 
samten Bruderschaft Gleichberechtigter gebildet ist. 
Alle bisherigen Organisationen wurden von den Führern 
aus organisiert; der Organisationspyramide gab das 
Vater-Sohnverhältnis das ideelle Gerüste, von der 
Spitze der Parteileitung abwärts zur breiten Volks- 
basis ging die Richtung der Impulse und der Beein- 
flussung. Die neue Organisation — die der Räte — 
wuchs aus der Masse, aus der Basis empor, aus der 
Basis empfängt sie die Impulse und ihr unsichtbares 
psychologisches System ist das Verhältnis der Brüder. 

Durch Jahrtausende sind nur Organisationen mit 
Vaterkonstruktion — von kleineren Organisationen ab- 
gesehen — von Dauer und Kulturbestand gewesen. 
Wiederholt sind in historischen Zeiten nach dem Zusam- 
menbruch einer gemeinsamen Vateridee Organisationen 
als — mitunter auch internationale — Bruderschaft ge- 
bildet worden. Viel Keime zu höherem Menschentum 
sind in ihren Stätten gereift, und die Kultur schuldet 


X 

I 


17 


ihnen viel Dank. Aber sie erhielten sich nicht oder sie 
gaben sich doch wieder später ein Gerüste nach dem 
Vater-Sohnverhältnis, wie das ursprüngliche Christen- 
tum in der Hierarchie der Kirche. Es wäre voreilig, 
daraus zu schließen, daß auch die jetzige Bruderschafts- 
bewegung scheitern muß. 

Nach unseren Untersuchungen ist klar, daß die Bru- 
derschaftsbewegungen bisher deshalb scheiterten, weil 
das Auf wachsen in der Familie die Individuen nur zu 
einer patriarchalischen Gesellschaft vorbereitet. Wohl 
ist das Verhältnis zum Bruder gleichfalls von funda- 
mentaler Bedeutung für die Entwicklung des Indivi- 
duums, und die Psychoanalyse entdeckt oft im späteren 
Schicksale, im Charakter und in Krankheitssymptomen 
eine unbewußte Wiederholung der Erlebnisse mit dem 
älteren oder jüngeren Bruder während der ersten Kind- 
heit. Das Verhältnis zum Bruder gestaltet direkt 
oder durch darauf erfolgte Reaktionen meist die Art 
und Tiefe des späteren freundschaftlichen Verhaltens. 
Aber nur in Ausnahmsfällen hat die Bruderbindung 
autoritativen Charakter und ist dann mit dem Vater- 
verhältnisse vergleichbar. Vor allem fehlt ihr das Mo- 
ment der notwendigen Enttäuschung und somit der 
Grund, weshalb das Kind eine unbewußte Verschie- 
bung der Vaterbindung vornehmen muß. Auch fehlt das 
typische "Verhältnis des Schwachen zum Starken, 
welches die Vaterreihe aufwärts bis zur höchsten ge- 
meinsamen Vaterbildung* fortschreiten läßt. Die Kon- 
gruenz der Familie mit dem gestürzten, patriarchalisch 
gebauten Staate und ihre Inkongruenz mit einer Bruder- 
schaftsorganisation ist deshalb das eigentliche psycho- 
logische Problem der Aufrichtung einer nicht patriarcha- 
lischen Gesellschaftsordnung. Soll diese Bestand haben, 
so müssen diese inneren Bedingungen bewußt und da- 
durch bekämpfbar gemacht werden. Allmählich wird die 
Struktur der Familie sich der neuen Ordnung anpassen, 
wenn nicht vielleicht diese einen Ersatz der Familie 
durch eine Aufzucht der Kinder nach Mutterrecht oder 
nach einem unbekannten System nötig machen wird. 

Wir sehen, daß das Auftreten einer so mächtigen 
Organisation wie die der Räte, wenn man ihre psy- 
chische Struktur als Bruderschaft erkennt, viel weitere 


18 


Perspektiven eröffnet, als wenn inan in ihr bloß ein Kampf- 
mittel des Proletariats sieht. Es wäre wohl möglich, daß 
trotz der Verwüstung durch den Krieg die patriarchali- 
sche Ordnung das technische Problem des W iederauf- 
baues der Wirtschaft lösen könnte, wenn nicht die psy- 
chologische Voraussetzung, die unbewußte Einordnung 
unter das Vater-Sohnverhältnis gefallen wäre. Daß auch 
dem Bruderverhältnisse infolge des gemeinsamen Auf- 
wachsens der Menschen eine starke verbindende 
anderseits auch viele abstoßende — Kraft innewohnt, 
weiß jeder, der die Stärke des Zusammenschlußbedürf- 
nisses gleichgestimmter oder gleichgesinnter Altersge- 
nossen kennt. Es ist nun sehr merkwürdig, daß die re- 
volutionären Versuche, die Vorgesetztenorganisation 
durch die Verbindung selbst Herren gewordener, freier 
Brüder zu durchbrechen, eine Wiederholung sind der 
gleichen Vorgänge in vorgeschichtlicher Zeit und daß 
solche Versuche in einer früheren Periode der Mensch- 
heit die Richtung für die Entwicklung aller Geistes- 
kultur gegeben haben. 

Es ist nämlich F r e u d auf seinem eigenartigen 
Forschungswege die Aufdeckung vieler Probleme der 
Urgeschichte*) der Menschheit geglückt, und zwar da- 
durch. daß er niemals ein Gebiet bis zur letzten Grenze 
erforschen, also niemals aus seinem Funde ein System 
programmatisch aufbauen wollte. Vielmehr begnügte er 
sich mit einer Teilerklärung. Das neu gewordene Stück 
Erkennen brachte aber Aufklärung für ein anfangs 
kleines Problem eines anderen Wissensgebietes, das 
er ursprünglich nie zu erforschen beabsichtigt hatte. 
Dort arbeitete er weiter, gewann Antwort auf weitere 
Fragen, brach wieder ab, kehrte zum verlassenen Ge- 
genstand zurück — und so kam die Frucht eines 
Wissengebietes als Samen einem ganz fremden zugute, 
bis — wie zu Zeiten des Universalwissens eines 
Aristoteles — alle Geistes Wissenschaften durch die 
neue Methode zu einem neuen, zusammenhängenden 
Forschungsgebiete vereinigt waren. Das Material 
mußte den Spezialisten entnommen werden, das 
geistige Band gab die neue Methode, die psycho- 


*) S. Freud, Totem und Tabu, Wien, Heller 1913. 


19 


analytische Erforschung' unbewußter Seelenvorgänge. 
So kam Freud von der Entdeckung der 
psychischen Wurzeln gewisser Krankheiten zur 

Erforschung des Traumes, des Witzes, zu 

einer neuen Psychologie, einer neuen Sexualitätslehre, 
von der Traumlehre zur Erforschung der Mythologie, 
von dieser zur Psychologie der Kunst und Künstler 
einerseits, andererseits der Religionspsychologie; zu 
beiden hatte er auch Zugänge von der Neurosenlehre. 
Mit der Psychologie der Entwicklung der Mensch- 
heitskultur beschäftigt, sali er sie neu durch- 
hellt durch Ergebnisse der Psychiatrie. Sein 
bedeutendster Mitforscher J u n g und dessen 
Schüler H o n egge r hatten nämlich die Über- 
raschung erlebt, mittels der Freudschen Methode die 
völlige Identität uralter, religiöser Vorstellungen und 
Systeme mit den Phantasieprodukten gewisser Geistes- 
kranker im Irrenhause zu finden. Das bewies, daß 
uralte Denkformen nicht verloren gegangen waren, 
sondern nur im Unbewußten schlummerten, um bei 
Verlust der in den späteren Jahrtausenden erworbenen 
höheren Denkfähigkeiten wieder hervorzubrechen; es 
zeigte auch, daß wir in unserer Seele altererbte, unbe- 
wußte Gedanken und Gefühlsverbindungen haben, die 
nur im Traume und in Krankheiten zutage treten. 
Dann fand Freud eine völlige Analogie zwischen Ge- 
bräuchen von Wilden und Zwangserscheinungen 
mancher Kranker, zwischen Vorstellungen der Wilden 
und den Phantasien von Kranken, zwischen seinen 
Konflikten und denen des Neurotikers — nur, daß sie 
dem Neurotiker bis zur Analyse unbewußt geblieben 
waren. Vorher aber hatte Freud durch Erforschun-. 
gen der Übergänge von geistiger Gesundheit und Stö- 
rung, durch die Erforschung des Traumes Gesunder 
und Kranker die Geltung der von ihm am Kranken ge- 
fundenen Gesetzmäßigkeiten auch für die gesunde 
Seele nachgewiesen. Und so konnte Freud schließlich 
mit großer Sicherheit bestimmte, wichtige Vorgänge 
in der Urgeschichte der Menschheit aufdecken. Sie 
mußten sich so regelmäßig wiederholt haben, daß sie 
in Sitten, Religion und Kunst ihren Ausdruck fanden 
und daß sie auch dauerndes, erbliches Eigentum der 


20 


Menschenseele wurden. Diese in der Stammesgeschichte 
erworbenen Charaktere lind seelischen Bildungen sind 
dem normalen Kulturmenschen völlig unbewußt. Nur 
in der frühen Kindheit kann man sie noch als Inhalt 
von Phantasien und Angstvorstellungen beobachten. 
Als unbewußte Kräfte wirken sie verborgen im Er- 
wachsenen, um mißgestalt im Wahne des Kranken und 
wohlgeformt im Werke des Künstlers ans Licht zu 
kommen. 

Daß ich so weit abschweifte, muß der Leser damit 
entschuldigen, daß ich die Basis meiner weiteren Er- 
örterung nicht als einen bloßen Einfall, sondern als 
gewichtiges Ergebnis der Wissenschaft des größten 
Seelenforschers hinstellen mußte. Wenn ich dadurch 
auch dem Namen Freuds Ehrfurcht erwiesen habe, so 
kann das in unserer Zeit nur von Nutzen sein. Denn 
der Krieg der Völker mit auf die Urzeit zurückgreifen- 
den Methoden ist eingestellt, und die Führer der ge- 
meinsamen geistigen Arbeit von heute werden die 
Isolierung durchbrechen müssen, die der Krieg ge- 
schaffen hat. 

Die erste Form des menschlichen Zusammenlebens 
war die einer Horde, die unter der übermächtigen 
Alleingewalt eines Vaters stand. Ihm gehörten die 
Brüder, ihm die Frauen. Diese Vormacht war ge- 
heiligt durch ein System primitiven Aberglaubens, dem 
Keime späterer Religion, war gehalten durch die 
größere Stärke des Häuptlings-Vaters. Heran- 
wachsende einzelne Söhne, die sich nicht fügen wollten, 
wurden anfangs getötet, in einer späteren Periode ver- 
trieben. Dafür, daß dieser Kampf zwischen Vater und 
Söhnen grausam und unerbittlich war, sprechen viele 
Momente, unter anderm die Rolle der Kastration, die 
als Recht der Väter, als Angst der Söhne durch die Ge- 
schichte der Religionen und Gebräuche ebenso nach- 
weisbar ist, wie sie in spontanen Angstvorstellungen 
der kleinen Knaben noch heute wiederkehrt. 

Das Ende eines solchen Tyrannen und Vaters war 
kein sanftes. Wenn seine Kräfte nachließen, oder 
wenn der gemeinsame Haß der entrechteten, vertrie- 
benen Söhne diese zu einer Bruderhorde zusammen- 
schloß, bekämpften und besiegten sie schließlich den 


* 


21 


Vater und es folgte — solange noch der Kannibalismus 
aus abergläubigem Zwange sich erhielt — - eine Sieges- 
mahlzeit, unter anderai auch, damit so die vom Aber- 
glauben vorgestellte geheimnisvolle Zauberkraft des 
Vaters auf die Sieger übergehe. Nach dem Mord er- 
griff Reue die Bruderhorde. Sie wurde ihrer Tat nicht 
froh, Streit um Eigentum und Frauen brach aus, bis 
der Stärkste unter ihnen den Sieg und damit neuer- 
dings die Macht über die Horde davontrug. So wieder- 
holte es sich durch lange Generationen, bis der einen 
Wendepunkt der Kulturgeschichte bedeutende Fort- 
schritt gemacht wurde, daß die Bruderhorde sich nicht 
mehr nur zum Morde des Vaters vereinigte, sondern 
nach Beseitigung des Tyrannen als Söhneorganisation 
mit einem durch Vertrag bestimmten Vater beisammen- 
blieb. Dann konnten sie von dem weiteren Vatermord 
ablassen und es bildeten sich große Gemeinschaften 
aus den Horden mit Häuptlingen an der Spitze. Aber die 
uralten Gräuel, die in Wirklichkeit aufgehoben waren, 
wurden als Symbol und Zeremonie festgehalten in 
der gemeinsamen Totemmahlzeit, in der Vergottung des 
Vaters im Totemkult, in Gebräuchen, deren Weiter- 
bau in die antike Tragödie und in die religiösen Opfer 
ausläuft. Es erhielt sich aber auch in der Seele des 
primitiven Menschen die zwiespältige Einstellung zum 
Vater: Der schuldgehemmte Haß und die furchterfüllte 
Liebe. Der Vatermord, mit dem die Geschichte der 
Menschheit einsetzt, war später so sehr zur Sünde ge- 
worden, daß er außer alles Rechtes stand. Nichts ist 
dem Sohne verehrungs würdiger als der Vater und 
doch enthält diese Verehrung noch heute in der 
Kinderseele einen Rest von der uralten Feindschaft, 
dem uralten Trotze und der uralten Schuld. 

Ich habe einen Mann behandelt, der bei keiner 
Arbeit bleiben konnte, weil er immer den Zwang zum 
Beten bekam. Die Analyse des Zwangsbetens ergab, 
daß das Beten immer notwendig wurde, um einen 
andern Impuls, der das Zusammenkriimmen der Finger 
begleitete, nicht bewußt werden zu lassen, den Impuls, 
den Vater zu erwürgen. Wohl ist die menschliche 
Gesellschaft durch das Vater-Sohnverhältnis aufgebaut 
worden und wir haben oben erörtert, wieviel äußeren 








- 22 — 

Zwang diese Unterordnungserziehung erspart, aber die 
moderne Seelenkunde hat uns enthüllt, mit wieviel 
innerem Zwange, mit wieviel Hemmung’ des Willens 
und des Selbstgefühles, mit welcher Zwiespältigkeit 
der Ichentwicklung dieses geheime Band der Ordnung 
bezahlt wird. 

Nun schlummert in uns, gleichfalls ererbt, wenn 
auch von geringerer Intensität als das Sohnesgefühl 
— jenes zweite soziale Prinzip — das der Bradergemein- 
schaft, dessen seelisches Motiv nicht mit innerer Schuld 
und innerem Zwange erblich beladen ist. Es wäre 
eine ungeheure Befreiung, wenn die jetzige Revolution, 
die eine Wiederholung uralter Revolten gegen den 
Vater ist, Erfolg hätte. Die Seele der Menschheit könnte 
vielleicht eine schönere werden, der parrizide Zug aus 
ihrem Antlitz verschwinden. Denn der geheimste 
Grund der meisten Morde ist der unbewußte Todes- 
wunsch, den das Kind gegen den Vater hegt. 

Lassen wir nun in seiner ganzen Bedeutung uns 
vor Augen treten, daß in der seelischen Verknüpfung- 
mit dem Vater, auf der die Einordnung in die bisherige 
Gesellschaft beruht, infolge Vererbung aus der Ge- 
schichte der Menschheit und infolge Erlebnis der eige- 
nen Kindheit, sich der Gehorsam nur gegen schlum- 
mernde feindliche Gefühle aufrecht erhält. Wir be- 
greifen dann, daß nach dem Sturz des verehrungswür- 
digen Vaterbildes viele Menschen zunächst aus Vater- 
losen zu absoluten Vatergegnern werden müssen und 
dementsprechend sich zunächst gegen jede Einfügung 
wehren. Dieses ist der psychische Untergrund der 
jetzigen Revolution. 

Wenn nämlich eine so mächtige Instanz wie die 
Bindung an den Vater der Seele verloren ging, wird 
alles mitgerissen, was durch sie in Funktion gehalten 
wurde, das sind vor allem die Arbeitsfähigkeit und die 
innere und äußere Friedfertigkeit. Nie waren deshalb die 
Menschen so streitsüchtig wie jetzt, so wenig bereit zur 
gegenseitigen Hilfe, in einer Zeit, da Optimisten ein 
Aufatmen der Menschen von Streit und Krieg erwar- 
teten. Es ist eben ein uralter Zusammenhang in der 
Menschenseele geblieben, daß» sieb die ‘Kinder nur unter 
der Zucht des V aters und aus Scheu vor ihm miteinan- 








-i 


-;-5 






~7 



•V 




23 


der vertragen. Dem Mangel der selbstverständlichen 
Unterordnung und der Streitbarkeit entspricht auch 
das Gefühl der Unsicherheit derjenigen Männer, die ohne 
väterliche Autorität die vaterlosen Gruppen und Völker 
mit ihrem Einfluß führen sollen. Ihre Unsicherheit, ihr 
Gefühl, von keiner instinktiven Autorität getragen zu 
sein, läßt sie zu Mitteln des Zwanges und Schreckens 
greifen, weil sie doch Macht zur Organisation der neuen 
Gesellschaft und zum Niederhalten der Gegner brau- 
chen. Der Terror ist daher ein Zeichen der Schwäche 
und wird überflüssig, sobald sich wieder eine gefühls- 
mäßige Einordnung der Individuen in die Gesellschaft 
herstellt. Wie bald das geschehen wird, hängt ebenso 
ab von der Persönlichkeit der Führer und von der 
Pflege der Bruderschaftsgefühle, wie von der Über- 
windung der Interessengegnerschaft und von der Be- 
hebung der drückenden Not. 

Eine andere Seite ist die mächtige Enteignungs- 
tendenz, die in allen Ländern zutage tritt. Sie äußert 
sich als wildes Auftreten in der Unzahl von Eigentums- 
delikten und als rationelle Enteignungspolitik der kom- 
munistischen und sozialistischen Parteien. Im Unbe- 
wußten waren die Väter Träger des Eigentums ge- 
blieben, wie sie es in der Kindheit waren. Dem Vater 
gehört die Welt, in die das Kind geboren wird. Und 
wie die Bruderhorde in vorgeschichtlichen Zeiten über 
den endlich nicht mehr durch die Scheu vor dem Vater 
geschützten Besitz herfiel, so sind auch jetzt Vermögen 
und Besitz durch den Sturz der patriarchalischen Autori- 
täten des seelischen Schutzes beraubt. Die besitzenden 
Klassen selbst sind in ihrem Rechtsgefühl unsicher ge- 
worden und schwanken zwischen Furcht und Resigna- 
tion. Genußsucht bei den einen, schwere Verstimmung 
bei den anderen sind die weitverbreitete Folge. Die 
Zunahme der Eigentumsdelikte hat auch darin ihren 
Grund, daß bei vielen Individuen, bei denen in normalen 
Zeiten die atavistischen Triebe von den Hemmungen 
zurückgehalten wurden, jetzt die Triebintensität stärker 
wurde, weil der Krieg alles Tierhafte verstärkt hat. 

Nur törichter Egoismus läßt die besitzenden 
Klassen diesem Verbrechertum den Kommunismus 
gleich stellen. Die Bewegung, das Eigentum in gemein- 


samen Besitz zu nehmen, repräsentiert recht eigentlich 
den Fortschritt von der Vaterlosigkeit der Gesellschaft 
zum Bruderprinzip. Dagegen wehren sich alle, die an 
der alten Vater-Sohneinstellung festhalten, auch die 
nicht revoltierten siegreichen Staaten. Von ihnen geht 
auch die Propaganda gefälschter Nachrichten über Ruß- 
land aus. Der objektive Beobachter sieht aber dort den 
ersten machtvollen Versuch einer neuen Gesellschafts- 
ordnung. Daß der Bolschewismus zur Diktatur des Pro- 
letariats geschritten ist, womit er sich den Haß sämt- 
licher bürgerlicher Parteien der Welt zuzog, daß er mit 
brutaler Gewaltanwendung sein neues Recht durchzu- 
setzen sucht, dafür ist nicht er allein verantwortlich. 
Man hat auch in der großen französischen Revolution die 
entfesselte Grausamkeit und die Blutopfer mit Unrecht 
den revolutionären Parteien zur Last gelegt. Auch damals 
trugen den größeren Teil der Schuld die fremden, auto- 
matischen Staaten Europas, welche das unterlegene 
Königtum und seine legitimistischen Anhänger unter- 
stützten und mit Waffengewalt retten wollten. So mußte 
auch der Bolschewismus aus Notwehr zum Rechtsbruch 
schreiten, da die Bürgerlichen und die rechtsstehenden 
Sozialisten — mit Unterstützung der Entente — am 
Kriege festhielten und die neue Organisation — wie es 
heißt — durch Sabotage hinderten. Gerade unsere Un- 
tersuchung läßt aber im Bolschewismus die Urtendenz 
der Menschheit nach einer neuen Ordnung erkennen. 

Die Kämpfe in Deutschland zeigen die drei Parteien 
auch psychologisch geschieden: die eine ist die der 
vaterlos gewordenen, aber noch stark in der Sohnes- 
einstellung verharrenden Mehrheitssozialisten, die des- 
halb ohne inneren Widerstand die Reste des bürger- 
lichen Militarismus mit sicli vereinen konnten; die zweite 
sind die vaterlos gewordenen und auch vaterlos gesinn- 
ten „Unabhängigen“; die dritte ist die Spartakusgruppe, 
in der sich die Vaterbindung zu instinktivem Haß gegen 
alles, was damit zusammenhängt, umgewandelt hat. 
Ich meine, daß die meisten Anhänger nicht nach ihrer 
Überlegung, sondern nach ihrer unbewußten Einstellung 
zum Vater ihre Partei wählen. Im alten Staate waren 
die politischen Kämpfe immer noch wie die uralten 
Kämpfe zwischen Söhnen und Vätern, die in den 


25 


Titanenkämpfen symbolisiert sind. Die Söhne wollten 
selbst die Stelle der Väter mit deren Recht und Besitz 
einnehmen oder mit ihnen teilen. Im neuen Staate 
kämpft gegen die dadurch vereinten Väter und Söhne 
eine dritte Partei, die keine von beiden mehr gelten 
lassen, keines von beiden selber sein will. Der Kampf 
ist mörderisch, weil uralte vererbte Regungen ihn 
schüren. 

Daß dieser Kampf auch zu den gewaltigen Streik- 
bewegungen führt, ist von unserem Gesichtspunkte aus 
sehr begreiflich. Wie politischer Kommunismus in den 
Eigentumsdelikten, so hat die politische Arbeitsein- 
stellung in der psychogenen Arbeitsstörung des Einzel- 
nen den individuellen Parallelvorgang. Viele Menschen, 
auch solche, deren Tätigkeit von Kohlen und Rohstoffen 
nicht abhängt, klagen über ihre eigene Arbeitsunfähig- 
keit und über die Arbeitsunlust ihrer Umgebung. Die 
Entwöhnung durch den Krieg kann nicht die Ursache 
sein, denn vor der Revolution nahmen Urlauber und Zu- 
rückgekehrte mit großer Freude ihre Arbeit wieder auf. 
Erst die Revolution hat den Arbeitswillen gebrochen. 
Das hängt, wie wir jetzt zeigen wollen, mit den unbe- 
wußten Motiven des Arbeitens zusammen. 

Wir haben oben erwähnt, wie sehr der Lehrer seine 
Stellung in der Seele des Kindes vom Vater leiht. Das 
Schüler- und das Lehrlingsverhältnis sind aber die 
Quelle der Eingewöhnung in die Arbeit, seit der allge- 
meinen Volksschulpflicht noch mehr als früher. Erst 
der bereits Herangewachsene arbeitet um Lohn und 
Verdienst. Das Kind schreitet anfangs vom Spiel zur 
Arbeit vor. Beides ist Tätigkeit; sie unterscheiden sich, 
abgesehen von Momenten, deren Erörterung hier nicht 
hergehört, meist durch den realen Wert des Arbeits- 
produkts und in der Tätigkeit selbst dadurch, daß beim 
Spiele nach Lust und Laune die Tätigkeit verlassen 
werden kann, bei der Arbeit nicht. Die Arbeit muß 
wegen ihres Zwecks ohne Rücksicht auf die Freude 
daran getan werden, wenn auch die Freude daran 
förderlich ist. Die Überwindung der Unlust zu ar- 
beiten lernt das Kind dem Vater und Lehrer zuliebe 
und aus Furcht vor Liebesentziehung und Strafe. Nun 
gibt es seelisch bedingte Lern- und Arbeit&störungen: 


26 


Zerstreutheit bis zur Denkunfähigkeit, Gedächtnis- 
schwäche, geistige und körperliche Ermüdung. Sie stei- 
gern sich bei höherem Grade zur scheinbaren Arbeits- 
scheu, die aber eigentlich eine Unstetheit ist, welche 
die Arbeitsstelle, die Arbeitsart, oft den Beruf immer 
zu wechseln zwingt. Sie sind eine Art Arbeitsdeserteure. 
Wird daraus ein Dauerzustand, so fallen sie lieber an- 
dern, meist der am längsten in Treue beharrenden 
Mutter zur Last, als daß sie als verspätete Lehrlinge 
wieder zur Arbeit griffen. Sie werden Vaganten und 
enden oft als nicht geborene — Verbrecher. Vorüber- 
gehende Arbeitsstörungen sind bei neurotischen Er- 
krankungen sehr häufig, u. zw. regelmäßig bei solchen 
Fällen, bei denen die Analyse eine gestörte Entwick- 
lung der Sohneseinstellung aufdeckt. 

Die jetzige Arbeitsunlust findet einen weiteren, und 
zwar rationellen Grund dort, wo infolge der Geldent- 
wertung der Lohn keine genügende Prämie für die 
Unlustüberwindung gibt. Das ist bewußt und wird des- 
halb bei vielen Streiks als Ursache angegeben und an- 
genommen, wo es sich doch um innere Arbeitsstörung 
handelt, die allgemein mit dem Zusammenbruch der 
Vater-S ohn-Einstellung entstanden ist. Streik und 
Straßenkampf sind beides Zeichen dafür, daß kein Vater 
mehr die Seelen der Söhne zu friedlicher Arbeit vereint. 
Deshalb entstehen sie ohne Aufforderung der Führer 
aus der Masse der Arbeiter eines Betriebs oder Bezirks 
heraus und richten sich immer auch gegen Personen, 
welche im Einzelbetrieb die Stelle eines entrechteten 
Vaters einnehmen oder als Regierung die gesamte 
Vater-Sohn-Partei vertreten. 

Aus diesem Grund ist die Frage der Streiks von 
der der Arbeiterräte nicht zu trennen. Schwer findet 
heute ein autoritativer Einfluß von oben, sei es der Regie- 
rung, sei es altgewohnter Führer, genug seelische Reso- 
nanz in der Arbeiterschaft, weil eben die unbewußte 
Unterordnung mit dem Sturz des Vatertums unter- 
brochen wurde. Aber dank der uralten, nicht mit neuer 
Schuld und neuem Vorwurf belasteten Bruderbeziehung 
und dank der Vorbereitung einer solchen Einordnung 
durch vierzig Jahre sozialdemokratischer Organisation 
wird der Arbeiterrat von den einzelnen Gruppen, mit 


27 


denen er in gegenseitigem, ständigem Willensaustausch 
steht, als lebendige Vertretung empfunden, der man 
Folge leistet. — Während der Parlamentarismus als 
Rest des alten Vaterstaates heute innerlich abgelehnt 
wird, empfindet der einzelne Arbeiter gegenüber dem 
Arbeiterrat: „Das sind wir“. 

Wenn Deutschland die russische Entwicklung zum 
Rechtsbruch vermeiden will, so müssen sich alle arbei- 
tenden, schaffenden Menschen mit der Idee der Arbeiter- 
räte versöhnen und müssen selbst an den Arbeiterräten 
teilnehmen. Nur die Vereinigung der geistigen und 
manuellen Arbeiter kann den verträglichen, d. h. durch 
Vertrag zustande gekommenen neuen Staat begründen. 
Dazu müßten alle mithelfen, die im Sinne der schönen 
Ausführungen Dr. Alfred Adlers von Gemeinsam und 
nicht vom Willen zur Macht sich leiten lassen. Ein 
solcher Übergang vieler, die bis heute am alten Staat 
innerlich festhalten, zu der neuen Bewegung ist nicht 
Fahnenflucht, sondern gefühlsmäßige Parteinahme. 

Freilich kämpft der Aufbau der neuen Staatsord- 
nung — abgesehen von den Verwüstungen durch den 
Krieg — mit den größten seelischen Schwierigkeiten. 
Die Vatereinstellung ist ja vererbt und mehr noch, als 
ich ausführte, mit allen persönlichsten Bindungen, mit 
der Beziehung zur Mutter, zum Weib, zu Verwandten, 
zu väterlichen Freunden, zu Erwerb, zu Eigentum und 
Arbeit, mit Religion und eventueller Weltanschauung 
innig verknüpft. Bei vielen Menschen wird die Gefühls- 
stärke, die der patriarchalischen Gesamtautorität ent- 
zogen wurde, diesen individuellen Beziehungen zugute 
kommen oder, wie ich es beobachten konnte, die ur- 
sprüngliche Anhänglichkeit an den wirklichen Vater 
und an die Familie verstärken. Solche Menschen werden 
dann interesselos für alle gemeinsamen Erfolge und 
Gefahren. 

Bei einer andern Gruppe von Menschen ist die 
soziale Vater Sohn-Einstellung so von ihrem Interesse 
oder von der Begeisterung ihrer Jugendjahre, von Um- 
gebung und Familie, vielleicht auch von rezenter Ver- 
erbung unterstützt, daß sie sie nicht aufgeben können. 


28 


sondern am Untertanen- und Bourgeoisstaat festhalten 
müssen und noch durch Generationen Legitimisten 
bleiben. 

Bei denen schließlich, die sich jetzt von der sozialen 
Vater-Sohn-Einstellung gelöst haben, bleibt die Ten- 
denz dazu doch so stark, daß sie nur auf eine geeignete, 
neu auftretende Persönlichkeit warten, die ihrem Vater- 
ideale entspricht, um sich wieder als Sohn zu ihm einzu- 
stellen. Mit großer Regelmäßigkeit hat deshalb nach 
dem Sturz von Königen die Republik der Herrschaft 
eines Volksführers Platz gemacht. 

Aber es muß nicht so kommen. Die bestehenden 
Republiken beweisen das. Sie haben zwar noch viel 
von dem autoritativen Obrigkeitsstaat behalten und sind 
nicht als Staatsbildungen nach dem Prinzip der gleich- 
berechtigten Bruderschaft anzusehen, weil die Eigen- 
tums- und Arbeitsverhältnisse zu viel Abhängigkeit und 
Unterordnung im Sinne des Vater-Sohn-Verhältnisses 
erzeugen. Trotzdem macht es sich in der Schweiz und 
in Amerika wesentlich weniger geltend als in den alten 
Kaiserstaaten. Für die Republik ist charakteristisch, 
daß die Einstellungen sich nicht auf denselben gemein- 
samen Vater dauernd vereinigen, sondern wechseln. 
Wir sehen dort eine Befriedigung des Verlangens nach 
einer Vatergestalt in der starken Anhängerschaft an 
einzelne hervorragende Männer. So hatte ich Gelegen- 
heit, vor dem Krieg die Verehrung der amerikanischen 
Jugend für Roosevelt in ihrem starken Fanatismus 
kennen zu lernen und sah ihren Charakter als Sohnes- 
einstellung, besser Kindeseinstellung, da auch Frauen 
stark ihm anhingen. Man konnte gut beobachten, wie 
Gefühle von Anhänglichkeit und Verehrung dem Vater 
entzogen und Roosevelt geschenkt wurden. Im Ärger 
darüber brach eine ihnen selbst unbewußte Eifer- 
sucht der Väter in den politischen Gesprächen mit 
ihren Kindern hervor. Die Gefühlsintensität des Partei- 
lebens und des Wahlkampfes in den Vereinigten Staaten 
ist durch die Verschiebung der Vaterbindung auf die 
Führer mehr charakterisiert als durch den Kampf der 
Wahlgelder. 

Daß in Amerika die Republik so imponierend im 
Volksgefühl verankert ist, hat seinen psychologischen 


29 


Grund darin, daß alle Auswanderer die Objekte ihrer 
Vater-Sohn-Einstellung in Europa zurückgelassen haben, 
und zwar viele mit feindlichsten Gefühlen. Sie kommen 
vaterlos hinüber mit der Hoffnung, daß die Befreiung, 
deren Statue sie im Hafen begrüßt, sie zu gleichberech- 
tigten Brüdern machen wird. Auch fehlt in Amerika 
die gemeinsame Abstammung, welche die gemeinsame 
Vateridee unbewußt verstärkt. Wer aber als Kind in 
Amerika aufwächst, dem wird die erste Schule, noch 
mehr die Mittelschule, in der die Kinder auch wohnen, 
zu einem republikanischen Gegengewicht gegen die 
Wirkung der Familie. Die Kinder vereinigen sich inner- 
halb der Schule unter Förderung, aber ohne Leitung 
der Lehrer für alle Arten Gartenpflege, Sports, Schul- 
zeitung, Beschäftigung mit Musik, Theater und Politik, 
zu Vereinen, bilden Ausschüsse für gelegentliche 
Zwecke. Sie wählen dazu ihre Vertreter, lernen die un- 
abhängige Gleichberechtigung bereits in der Schule. 
Ebenso sind auch die Kirchen in völlig selbständigen 
Gemeinden organisiert. Ich führe diese Einrichtungen 
an, um Mittel zu zeigen, mit denen der Wirkung der 
Vater-Sohn-Einstellung entgegengearbeitet wird. Die 
Vaterlandsliebe leidet nicht unter der mangelnden ge- 
meinsamen Vater-Sohn-Einstellung, weil freie Söhne 
aus eigenem Antrieb ihr Mutterland lieben und schätzen. 

Ich habe versucht, die Gegenwirkung unbewußter 
Kräfte in der Revolution zu zeigen und dadurch dem 
Leser bewußt zu machen. Koch mehrere andere unbe- 
wußte Motive würden von einer vollständigen Analyse 
bloßgelegt werden. Aber auch dieser eine Gesichts- 
punkt trägt zum Verständnis typischer Züge der Revo- 
lution bei. 

Das Vater-Sohn-Motiv hat die schwerste Niederlage 
erlitten. Es ist aber durch die Familienerziehung und 
als ererbtes Gefühl tief in der Menschheit verankert 
und wird wahrscheinlich auch diesmal verhindern, daß 
eine restlos „Vaterlose Gesellschaft“ sich durchsetzt. 

Wien, März 1919 


Zur Revolution der Schule und Kirche! 

Soeben ist erschienen 1. bis 5. Tausend: 

J. s. M A C H A R 

Die Galeeren des Gymnasiums 
Antike und Christentum 

Autorisierte Übersetzung von Dr. Heinrich Herbatschek 

120 Seiten in elegantem Kartonumschlag K 6*60 == M 4*40 

Der Krieg allein hat die Befreiung aus geistiger Knechtschaft nicht bewirkt. 

Die Revolution der Herzen, das Emporflammen der Begeisterung für Menschheits- 
ziele und Brüderlichkeit war schon vordem durch Schöpfungen genialer Köpfe 
vorbereitet worden, welche die nahe Zukunft des freien Geistes zu erkämpfen 
halfen. Darum soll, wenn wir nun aufatmen und das Neuland der Republik 
begrüßen, der Werke jener nicht vergessen werden, die der reaktionären Bevor- 
mundung und dem freiheitfeindlichen Klerikalismus die Stirne boten, als die Staats- 
gewalt solch Unterfangen noch mit Strafe bedroht hatte. Machar war und ist der 
mutigste Pionier des Gedankens der Unabhängigkeit und Wahrheit. Er kämpft 
gegen die Sklaverei des Geistes, gegen Jesuitismus und Kulturfeindschaft. Und da 
er weiß, daß die Waffen des Rückschritts schon in der Schule geschmiedet werden, 
gilt sein heißes Bemühen zuvörderst den jungen Seelen, den lernenden Menschen- 
kindern, welche von den Fesseln des schrecklichen Systems befreit und nicht mehr 
zu Heuchlern erzogen werden sollen. Seine „Bekenntnisse“, deren bester Teil 
„Die Galeeren des Gymnasiums“ sind, denen sich die vortreffliche Streitschrift 
„Antike und Christentum“ würdig anreiht, bedeuten in unserer Epoche des 
Ringens um neue Grundlagen, des Aufwärtsstrebens und kulturellen Fortschritts 
eine Tat, denn sie helfen alte Torheitsprinzipien vernichten und befreiende 
Menschheitsgedanken aufrichten und verkörpern. Das Werk gilt allen, nicht etwa der 
humanistischen Kaste, als Buch innerer Stärkung, denn es ist rein und geistvoll. 

Früher ist erschienen: 

Dichter Machar u. Professor Masaryk 
im Kampfe gegen den Klerikalismus 

Verbotene Stellen aus dem Volkslesebuche J. S. Machars. 

Preis K 3*30 = M 2*— 

In allen Buchhandlungen od. direkt vom 

ANZENGRUBER - VERLAG 

Leipzig Brüder Suschilzky Wien X./i 




RUDOLF GOLDSCHEID 


Zur Ethik des Gesamtwillens. Eine sozialphilo- 
sophische Untersuchung, Leizpig 1902. 552 Seiten Mk. 10*- 

Grundlinien zu einer Kritik der Willenskraft. 


Verelendungs- oder Meliorationstheorie. 

Berlin 1906 


Entwicklungswerttheorie, Entwicklungs- 
ökonomie, Menschenökonomie. Eine Programm- 


Darwin als Lebenselement unserer modernen 


Höherentwicklung und Menschenökonomie. 

Grundlinien der Sozialbiologie I. Band, Leipzig 1911. 


Friedensbewegung und Menschenökonomie. 

Leipzig 1912 „ t . 


Frauenfrage und Menschenökonomie. 4. bis 6. 
Tausend. Wien 1914 .... .... 

Das Verhältnis der äußeren Politik zur inneren. 


Mk. 

4*— 

Mk. 

— *60 

Mk. 

5*— 

Mk. 

1*50 

Mk. 

15 — 

Mk. 

—*50 

Mk. 

—*50 

Mk. 

-•50 

Mk. 

r — 


Staatsozialismus oder Staatskapitalismus. Ein 

finanzsoziologischer Beitrag zur Lösung des Staats- 
schu I den -P roblems, Wien 1917. 186 Seiten 4. und 
5. Auflage Mk. 8-— 

Soeben erschien 5. bis 10. Tausend: 

Sozialisierung der Wirtschaft oder Staats- 
bankerott. Weltform. IX. 132 Seiten in eleg. 

Karton Umschlag 4. u. 5. Aufl Mk. 5* — 


ANZENGRUBER -VERLAG BRÜDER SUSCHITZKY 

LEIPZIG WIEN X/i.